Wegweiser für Begleiter

Wenn in der Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis jemand stirbt

Ein Wegweiser zu einem natürlichen Umgang mit Trauernden

Wenn der Tod das Leben trifft
Plötzlich, ganz unerwartet, mitten ins Leben hinein, hören wir vom Tod eines Nachbarn, einer Bekannten. Noch bevor es uns richtig ins Bewusstsein dringt, meldet sich die Frage: „Was mach‘ ich jetzt? Wie reagiere ich?“ „Soll ich eine Karte schreiben – aber was schreib‘ ich? Außerdem, sie wohnen doch gleich nebenan. Aber ich kann doch nicht einfach klingeln, was sage ich denn dann? Vielleicht wollen sie ja ihre Ruhe.“ „Oder soll ich warten bis zur Beerdigung? Aber ich kann doch nicht so tun als ob ich nichts gewusst hätte!“ „Vielleicht sollte ich einfach anrufen, aber das ist irgendwie so unpersönlich und vielleicht lästig – wer weiß, wie viele Anrufe sie jetzt bekommen.“ „Oder ich warte ersteinmal ab, vielleicht sehe ich sie ja zufällig, dann könnten wir so wie sonst miteinander reden. Aber nein, ich muss ‚es‘ doch ansprechen.“ Ein Gedanke jagt den andern, Unsicherheit macht sich breit, das Falsche zu tun oder zu sagen.

Perspektivenwechsel
All diese Fragen sind verständlich, denn wir möchten es ja richtig machen. Hier tut ein Perspektivenwechsel gut: „Was fühlt wohl Herr …, jetzt, so alleine? Was würde ich mir von meinen Nachbarn wünschen, dass sie tun oder sagen sollen? Was könnte ihnen jetzt von mir gut tun?“ Es sind oftmals die kleinen Dinge – vielleicht nur ein kleines Kärtchen: „Es hat mich sehr betroffen gemacht, zu hören dass … , ich komme in den nächsten Tagen bei ihnen vorbei, ich meld‘ mich vorher an.“ Wenn wir so versuchen, von der „anderen Seite“ her zu denken und zu fühlen, dann löst sich das verzweifelte Ringen um das rechte Tun, die richtigen Worte. Dann gehen wir wie selbstverständlich, vielleicht mit einem kurzen Gebet auf den Lippen, zu den Betroffenen hin: „Frau …, ich habe heute Morgen erfahren, dass ihr Mann gestorben ist.“ Meistens genügt schon solch ein Satz, um ins Gespräch zu kommen. „Ja, gestern Abend ist er gestorben, …“ Trauernden tut es gut, davon zu reden, wie „es“ passiert ist und sich an die letzte Begegnung oder die letzten Worte zu erinnern.

Konkrete Hilfen anbieten
Vielleicht werden Sie ‚reingebeten, vielleicht entwickelt sich ein Gespräch. Wenn Sie möchten, können Sie ihre Hilfe in ganz praktischen Dingen anbieten: wenn es etwas zu tun gibt bei der Vorbereitung der Trauerfeier oder wenn es darum geht, die Kinder zu betreuen. In den Tagen nach der Beerdigung kann es helfen, wenn Sie die Frau/den Mann oder die Familie zum Essen zu sich einladen, damit sie nicht selber kochen müssen. Oder übernehmen Sie die Wäsche, den Einkauf oder was sonst Not tut. Trauernde haben in der Anfangszeit oft nicht die Kraft für alltägliche Verrichtungen. Wichtig ist immer, dass wir den andern in seiner Trauer achten, einen Schritt zurücktreten vor dem Schmerz, den er oder sie durchlebt – und dennoch auf die Trauernden zugehen, denn von sich aus können sie es kaum.

Die Zeit nach der Beerdigung
Auch Wochen nach der Beerdigung tut es Trauernden gut, auf den Verstorbenen hin angesprochen zu werden, der Trauer noch einmal Ausdruck geben zu können, von ihm/ihr reden zu dürfen. Besonders Festtage, die bisher gemeinsam verbracht wurden, sind für Trauernde kritische Zeiten. Dort wäre es gut, vorbeizuschauen oder zu einem Spaziergang einzuladen, denn im Gehen redet es sich für viele leichter. Zeit schenken, dass ist das, was wir tun können – und zuhören, auch wenn es zum fünften Mal dieselbe Geschichte ist. Keine klugen Ratschläge braucht der Trauernde, keine Vertröstungen, sondern ein schlichtes Mitgehen und ab und zu vielleicht auch ein gemeinsames Schweigen vor dem Unergründlichen, den antwortlosen Fragen.

Wenn wir uns folgenden Segen zu eigen machen, kann es uns leichter werden, Trauernden auf eine natürliche Art zu begegnen:

Segen der Trauernden

Gesegnet seien alle,
die mir jetzt nicht ausweichen.
Dankbar bin ich für jeden,
der mir einmal zulächelt
und mir seine Hand reicht,
wenn ich mich verlassen fühle.

Gesegnet seien alle,
die mir erlauben
von dem Verstorbenen zu sprechen.
Ich möchte meine Erinnerungen
nicht totschweigen.
Ich suche Menschen,
denen ich mitteilen kann,
was mich bewegt.

Gesegnet seien alle,
die mir zuhören,
auch wenn das,
was ich zu sagen habe,
sehr schwer zu ertragen ist.

Gesegnet seien die,
die mich immer noch besuchen,
obwohl sie Angst haben,
etwas Falsches zu sagen.

Gesegnet seien alle,
die mich nicht ändern wollen,
sondern geduldig so annehmen,
wie ich jetzt bin.

Gesegnet seien alle,
die mich jetzt trösten
und mir zusichern,
dass Gott mich nicht verlassen hat…

Marie-Luise Wölfing

Literaturempfehlung zum Einfühlen in die Welt der Trauernden:

  • M. Voss-Eiser: Noch einmal sprechen von der Wärme des Lebens. Texte aus der Erfahrung von Trauernden. Gut, um sich in Trauernde einzufühlen.
  • M. Specht-Tomann: Zeit zu trauern. Kinder und Erwachsene verstehen und begleiten. Gute Beschreibung der Trauer von Kindern und Jugendlichen.
  • W. Pisarski: Anders trauern – anders leben. Ein Wegweiser für Trauernde.
  • A.S. Naegli: Du hast mein Dunkel geteilt. Gebete an unerträglichen Tagen.
  • Jörg Zink: Trauer hat heilende Kraft. Wertvolle Gedanken zur Trauer.
  • C.S. Lewis: Über die Trauer. Ein Begleiter für schwere Stunden. C.S. Lewis erzählt durchdringend von seinen Trauererfahrungen, seinem Ringen.

Heilig Geist Gemeinde Balingen

Margit Schacke

Wir danken Frau Margit Schacke herzlich für die Abdruckgenehmigung.